Ratgeber
Die Abkürzung TVS steht in der Elektronik für Transient Voltage Suppressor. Darunter ist eine Komponente zu verstehen, die sehr kurz andauernde Spannungsspitzen unterdrückt und damit Schäden vor allem an Halbleiter-Bauelementen verhindert. Als TVS-Diode ist sie sehr häufig in energie- und informationstechnischen Systemen zu finden. In unserem Ratgeber informieren wir Sie über Funktion und Einsatz dieser Diode.
TVS-Dioden schützen empfindliche Bauelemente in der Elektronik, zum Beispiel Halbleiter.
Sie sind so konzipiert, dass sie auf kurze Spannungsspitzen – den sogenannten Transienten – reagieren und die Spannung auf einen bestimmten Wert begrenzen, bevor sie in den Stromkreis gelangen. Sie funktionieren ähnlich wie Filter in Luft- oder Wasserleitungen.
Im Vergleich zu Standard-Dioden verfügen diese Komponenten über eine größere Querschnittsfläche des P-N-Übergangs.
Deshalb können sie auch hohe Ströme mit bis zu mehreren Kilowatt Leistung sicher zur Erde ableiten und damit die Gefahr von Schäden minimieren.
Zudem reagieren sie sehr schnell auf Spannungsspitzen, die typische Reaktionszeit liegt bei etwa einer Pikosekunde, dem billionsten Teil einer Sekunde.
Spannungsspitzen können immer mal wieder auftreten, selten durch indirekte Blitzeinschläge, häufiger durch Einschaltvorgänge von angeschlossenen Verbrauchern. In der Regel verursachen diese Transienten keine Schäden, da Netzstromkreise durch Schutzschalter abgesichert sind. Die größte Gefahr geht vielmehr von Spannungsspitzen aus, die unmittelbar an elektronischen Geräten entstehen – statische Entladungen, deren Spannung bis zu 35 Kilovolt betragen kann.
Experten bezeichnen diese Entladungen als triboelektrischen Effekt. Es handelt sich dabei um eine Art von Kontaktelektrisierung, bei der sich bestimmte Materialien elektrisch aufladen, wenn sie von einem anderen Material getrennt werden. Wenn Sie zum Beispiel mit einem Plastikkamm durch das Haar fahren, kann sich Triboelektrizität aufbauen. Ähnliches passiert oft nach einem Gang über den Teppichboden. Der menschliche Körper wird dabei wie ein Kondensator aufgeladen, die Stromstärke ist zwar äußerst gering, doch dafür können Spannungen von mehreren Tausend Volt entstehen. Wird nun ein metallischer Gegenstand berührt, springt ein kleiner, in der Regel sogar hörbarer Funken über, der Körper entlädt sich.
Einige elektronische Geräte, vor allem jene mit CMOS-Schaltkreisen und MOSFETs, können durch statische Hochspannungs-Pulse zerstört werden.
Die Erdung durch ein spezielles Armband ist deshalb gängige Praxis beim Umgang mit nicht an Erde angeschlossenen integrierten Schaltkreisen. Im Platinen-Layout sollte immer ein TVS-Bauelement wie die TVS-Diode parallel zur Stromversorgung eingeplant und mit der späteren Masse verbunden sein, in der Regel mit dem Chassis. Erfolgt dann später eine Berührung unter elektrostatischer Aufladung, wird die Spannungsspitze sicher aufgefangen und an die Erde abgeleitet. Dies gilt auch für die Berührung metallischer Teile wie Steckverbinder.
Eine TVS-Diode kann entweder unidirektional oder bidirektional arbeiten. Die unidirektionale Diode (Abbildung links) wirkt wie eine Zener-Diode als Gleichrichter in Durchlassrichtung, wird aber so hergestellt und getestet, dass sie sehr hohen Spitzenströmen standhält, teilweise bis zu 5000 Watt. Diese Belastung sollte allerdings immer nur sehr kurze Zeit erfolgen.
Eine bidirektionale TVS-Diode (Abbildung rechts) kann man sich als zwei in Reihe geschaltete, entgegengesetzte Zenerdioden vorstellen. Obwohl diese Darstellung schematisch korrekt ist, werden diese Dioden als ein einziges Bauteil hergestellt.
Großer Vorteil einer TVS-Diode: Sie kann schneller auf Überspannungen beziehungsweise Transienten reagieren als herkömmliche Überspannungsschutzgeräte wie Varistoren oder Gasentladungsröhren. Die Ansprechzeit bei Überspannungen beträgt wie bereits erwähnt etwa eine Pikosekunde, in einer praktischen Schaltung wird die Reaktionszeit allerdings durch die Induktivität der TVS-Diodenleitungen begrenzt.
Ist eine nahezu unmittelbare Ansprechzeit erforderlich, kann die sogenannte Rail-to-Rail-Schaltung helfen.
Es handelt sich dabei um eine Kombination aus zwei TVS-Dioden und einer Klemmdiode.
Die Ansprechzeit ist so gering, dass sie bestens mit den Frequenzen in Ultra-High-Speed-Datenleitungen zurechtkommt.
Es gibt aber auch Nachteile: Durch die hohen Frequenzen steigen die parasitären Kapazitäten der Schaltung, außerdem ist der Überspannungsschutz vergleichsweise gering.
Da diese Dioden Spannungsspitzen sehr gut ableiten, ist ihr Einbau vor allem dann zu empfehlen, wenn die Geräte für den Verkauf innerhalb der Europäischen Union vorgesehen sind.
Maßgeblich ist hier die Prüfung auf elektromagnetische Verträglichkeit, kurz EMV. Die nach IEC/DIN EN 61000-4-2 beziehungsweise VDE 0847-4-2 erfolgreich geprüften Produkte dürfen dann das entsprechende CE-Zeichen tragen.
Die Eingruppierung erfolgt dabei in einem der vier Level:
Elektrostatische Entladung ESD (IEC/DIN EN 61000-4-2; VDE 0847-4-2) |
||||
---|---|---|---|---|
Kontaktentladung | Luftentladung | |||
Level | Kontaktspannung | Teststrom | Testspannung | Teststrom |
1 | ± 2 kV | 7,5 A | ± 2 kV | 7,5 A |
2 | ± 4 kV | 15 A | ± 4 kV | 15 A |
3 | ± 6 kV | 22,5 A | ± 6 kV | 22,5 A |
4 | ± 8 kV | 30 A | ± 8 kV | 30 A |
Es sind zahlreiche Versionen von TVS-Dioden verfügbar, sowohl in klassischer Bauweise mit axialen Anschlussdrähten als auch in Chip-Form zur Durchsteckmontage oder für die SMD-Fertigung. Hinsichtlich der elektrischen Eigenschaften sind folgende Angaben zu beachten:
Klemmenspannung
Die Klemmenspannung ist gleich der Differenz zwischen der Quellenspannung und dem internen Spannungsabfall. Letzterer ist das Produkt aus dem Innenwiderstand der Spannungsquelle und dem zugeführten elektrischen Strom. Die Klemmenspannung ist nie höher als die Quellenspannung. Bei einem Solarmodul beispielsweise beträgt die Klemmenspannung etwa 25 Volt, während die Quellenspannung 37 Volt beträgt. Handelsübliche TVS-Dioden verfügen über Klemmenspannungen zwischen 8,2 und 776 Volt.
Sperr- und Durchbruchspannung
Mit Sperrspannung wird eine elektrische Spannung bezeichnet, die über einem in Sperrrichtung gepolten P-N-Übergang anliegt. Ab einer bestimmten charakteristischen Spannung kommt es allerdings zum Durchbruch: Der Strom steigt schnell und weit über den Sättigungswert. Dies kann bei einem Überspannungsschutz zur thermischen Zerstörung der Diode führen.
Leistung
TVS-Dioden können große elektrische Leistungen verarbeiten, die Skala reicht von 350 bis zu 5000 Watt. Gängige Ausführungen liegen bei 600 und 1500 Watt.