Ratgeber
Elektronische Komponenten wie Mikrochips und Halbleiter sind sehr empfindlich gegenüber elektrostatischen Entladungen, auch bekannt als electrostatic discharge, abgekürzt ESD. Selbst eine kleine Entladung, die für den Menschen nicht spürbar ist, kann diese Komponenten beschädigen oder zerstören. Eine gute Gegenmaßnahme ist das Ableiten der Ladung zur Erde, bevor ein empfindliches Bauelement angefasst wird. Besser ist es allerdings, dafür zu sorgen, dass eine Ladung gar nicht erst entsteht.
Dazu gibt es neben ESD-Matten und Bodenbelägen auch antistatische ESD-Handschuhe und antistatische ESD-Fingerlinge. Lesen Sie in unserem Ratgeber, wie diese Hilfsmittel vor ESD-Ereignissen schützen und welche Ausführungen es gibt.
ESD-Handschuhe enthalten in der Regel leitfähige Materialien wie Kohlenstofffasern, Metallfäden oder leitfähige Polymere, die in das Gewebe eingearbeitet sind. Diese Stoffe ermöglichen es dem Arbeitshandschuh einerseits, elektrostatische Ladungen aufzunehmen und andererseits sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Ursache solcher Ladungen ist in erster Linie der triboelektrische Effekt, vereinfacht ausgedrückt, durch die Reibung unterschiedlicher Materialien. Dabei können sich Spannungen von einigen Tausend Volt aufbauen, die sich typischerweise über das Erdpotenzial entladen. Oft genügt aber schon das Berühren eines metallischen Gegenstands. Handelt es sich bei diesen Gegenständen um Halbleiter-Bauelemente wie Dioden, Transistoren oder Mikrochips, können diese beschädigt oder sogar zerstört werden.
Um Entladungen zu vermeiden, sind antistatische Matten auf den Tischplatten ebenso zu finden wie antistatische Bodenbeläge. Die dafür verwendeten Materialien bauen bei der Reibung mit anderen Stoffen keine Ladung auf. Gleichzeitig dienen sie aber auch sozusagen als Blitzableiter: Diese Schutzmittel sind über ein Kabel mit dem Erdpotenzial verbunden, häufig am Schutzkontakt einer Steckdose und am metallischen Gehäuse eines geerdeten Geräts. Dennoch ist es theoretisch möglich, dass eine elektrostatisch aufgeladene Person – nach einem Gang mit Kunststoffsohlen über einen Kunstfaserteppich zum Beispiel – ihre Ladung bis an die Werkbank trägt und dort eine mit Halbleitern bestückte Platine mit bloßen Händen anfasst. Dabei ist eine Entladung über die Platine nicht unwahrscheinlich, selbst wenn die Tischplatte mit einer geerdeten Matte ausgestattet ist. Und genau für solche Fälle gibt es ESD-Handschuhe.
Der Handschutz allein garantiert allerdings keinen Schutz vor ESD-Ereignissen. Er nimmt zwar sehr gut die Ladung auf, kann sie aber ohne Erdung nicht ableiten. Deshalb ist es zwingend notwendig, dass der Träger der Handschuhe auch ein Erdungsarmband trägt und dieses wiederum geerdet ist. Ein solches Armband ist auch für den Einsatz von ESD-Fingerlingen notwendig.
ESD-Fingerlinge sind kleinere, fingerförmige Hüllen, die über einen oder mehrere Finger gestülpt werden. Sie bieten eine gezielte Abdeckung und werden oft in Situationen verwendet, in denen volle Handschuhe nicht notwendig oder unpraktisch sind. ESD-Fingerlinge bieten mehr Flexibilität und Tastempfinden als Handschuhe. Das ist besonders nützlich, wenn feine manuelle Geschicklichkeit erforderlich ist.
Ob ESD-Handschuhe oder ESD-Fingerlinge – in beiden Fällen ist das Ziel, ein sicheres Arbeitsumfeld für die Handhabung elektrostatisch empfindlicher Bauteile zu schaffen und die Risiken von ESD zu minimieren. Dies ist entscheidend in Bereichen wie Elektronikfertigung, Laborarbeit, Reinraumarbeiten und anderen industriellen Anwendungen, in denen die Integrität der elektronischen Komponenten höchste Priorität besitzt.
Ein wesentliches Merkmal von ESD-Handschuhen ist das Vorhandensein von leitfähigen Fasern.
Diese Fasern können aus Kohlenstoff, Edelstahl oder einer Kombination aus synthetischen Fasern und Metallfäden bestehen. Kohlenstofffasern sind beliebt, weil sie die Leitfähigkeit erhöhen und gleichzeitig flexibel und leicht sind.
Viele ESD-Handschuhe enthalten Beschichtungen, kombiniert mit leitfähigen Fasern. Diese Beschichtungen, die häufig aus Materialien wie Nitril, Latex oder Polyurethan bestehen, verbessern den Griff und die Haltbarkeit der Handschuhe.
Latex ist bei weitem das preiswerteste und am häufigsten verwendete Material, vor allem bei Fingerlingen. Leitfähige Fasern sind hier üblicherweise nicht vorhanden, da Latex von Natur aus antistatisch ist und somit keine Ladungen transportiert. Nachteil: Diese Handschuhe oder Fingerlinge können nicht von Personen mit Latex-Allergien getragen werden.
Vinyl ist zwar eine geeignete Option für Menschen, die allergisch auf Latex reagieren, ist aber nicht so durchstichfest und haltbar wie Latex.
Nitril-Handschuhe sind dagegen sehr haltbar, antistatisch und durchstichfest. Da sie aus synthetischem Latex hergestellt werden, können sie von allen Arbeitnehmern unabhängig von einer Latex-Allergie verwendet werden. Allerdings sind Nitril-Handschuhe in der Regel teurer als Vinyl- oder Latex-Handschuhe.
Antistatische Handschuhe aus Stoff mit leitenden Beschichtungen der Fingerkuppen lassen sich dagegen in vollem Umfang wiederverwenden, was zu erheblichen Kosteneinsparungen gegenüber Einweghandschuhen führen kann. Sie sind außerdem atmungsaktiv und bieten einen hohen Tragekomfort. In jedem Fall ist allerdings zu beachten, dass verschiedene Handschuhmaterialien bei der Verwendung mit bestimmten Chemikalien gefährlich sein können. So sind Nitril-Handschuhe zwar langlebig und vermeiden Latex-Allergien, eignen sich aber nicht für die Verwendung mit Ketonen und aromatischen Lösungsmitteln.
Die genaue Materialzusammensetzung kann je nach Hersteller, vorgesehener Verwendung und spezifischen Anforderungen an den Handschuh variieren. Wichtig ist grundsätzlich, dass die Handschuhe oder Fingerlinge eine ausgewogene Kombination aus Leitfähigkeit, Haltbarkeit, Flexibilität und Komfort bieten und in korrekter Passform gewählt werden.
Welche gesetzlichen Vorgaben sind bei der Beschaffung von ESD-Handschuhen und -Fingerlingen zu beachten?
Bei der Beschaffung sollte darauf geachtet werden, ob die Europäische Norm DIN EN 16350:2014 eingehalten wurde. Sie beschreibt die Voraussetzungen und Prüfverfahren für die elektrostatischen Eigenschaften von Schutzhandschuhen.
Lassen sich ESD-Handschuhe auch für die Bedienung von Touchscreens nutzen?
Was zunächst plausibel erscheint, wird in der Praxis wohl kaum funktionieren – obwohl beide Handschuhtypen über leitfähige Fingerkuppen verfügen. Der Unterschied liegt in der Technologie von Touchscreens. Sie benötigen eine Veränderung des elektrischen Feldes, das durch die kapazitive Kopplung mit dem menschlichen Körper erzeugt wird. Da ESD-Handschuhe diese Kopplung verhindern oder nicht in der richtigen Weise herstellen können, kann der Touchscreen die Berührung nicht erkennen.