Ratgeber
Wie stark weht der Wind? Eine Frage, die nicht nur Segler und Piloten beschäftigt. Auch in zahlreichen anderen Bereichen kann die Windgeschwindigkeit eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehören beispielsweise die Land- und Bauwirtschaft. Gemessen wird die Windstärke mit einem Anemometer. Das erfasst nicht nur die Geschwindigkeit von Luft, bestimmte Ausführungen messen auch die Strömung von Gasen oder Flüssigkeiten.
Lesen Sie in unserem Ratgeber, wie Anemometer funktionieren, welche Typen und Bauformen es gibt und worauf bei der Beschaffung zu achten ist.
Als Anemometer werden im Allgemeinen Instrumente zur Messung der Geschwindigkeit, des Drucks und der Richtung des Windes bezeichnet.
Vor allem Meteorologen verwenden diese Geräte in ihren Wetterstationen. Anemometer sind aber auch in Produktionsumgebungen und Laboren zu finden, wenn Strömungsfelder von Gasen oder Flüssigkeit eine Messung erfordern.
Neben klassischen Anemometern mit Flügelrad oder Schalenkreuz, die mechanisch oder elektromechanisch die Windgeschwindigkeit messen, gibt es thermische Anemometer und solche, die Strömungsfelder anhand von Schallwellen oder mit Laserstrahlen erfassen.
Je nach eingesetzter Technologie sind die Messgeräte für den mobilen Einsatz oder für feste Installationen konzipiert.
Schalenkreuz-Anemometer und Flügelrad-Anemometer
Schalenkreuz-Anemometer repräsentieren wohl die älteste Form von Anemometern, es gibt sie schon seit Jahrhunderten. Sie sind einfach aufgebaut, zuverlässig und genau. Das Schalenkreuz besteht aus einem Satz von drei oder vier Halbschalen, die sich durch den Wind drehen. Nimmt die Windgeschwindigkeit zu, drehen sich die Schalen schneller.
Ist das Anemometer als mobiles oder stationäres Messgerät konstruiert, wird die erfasste Windgeschwindigkeit unmittelbar auf einem digitalen Display angezeigt. Möglich ist aber auch die Nutzung der Windgeschwindigkeit als Parameter für Steuerungen, zum Beispiel zum automatischen Einfahren von Markisen bei hohen Windstärken. Für die Berechnung der Windgeschwindigkeit wird die Anzahl der Umdrehungen mechanisch oder elektronisch gezählt, die Windrichtung ist dabei nicht relevant.
Das Flügelrad-Anemometer funktioniert im Prinzip wie das Schalenkreuz-Anemometer. Anstelle von Halbschalen ist hier aber ein Propeller im Einsatz, eine Konstruktion, die einem PC-Lüfter ähnelt. Im Gegensatz zu Anemometern mit Halbschalen müssen Anemometer mit Flügelrad parallel zum Wind stehen, um genaue Daten zu erhalten. Dafür lassen sie sich auch in rauen Umgebungen einsetzen. In der Regel messen Flügelrad-Anemometer neben der Windgeschwindigkeit auch andere atmosphärische Werte wie zum Beispiel Luftdruck, Temperatur und Luftfeuchtigkeit.
Hitzdraht-Anemometer
Auch bekannt als thermische oder Konstantstrom-Anemometer. Sie messen sowohl den Druck als auch die Geschwindigkeit des Windes. Ihre Funktion ist recht einfach: Ein feiner Draht wird elektrisch auf eine bestimmte Temperatur erhitzt und dem Wind ausgesetzt. Durch den Luftstrom nimmt die Temperatur ab, die Differenz dient dann zur Messung der Geschwindigkeit und der Richtung des Windes.
Ein Hitzdraht-Anemometer reagiert schnell und liefert präzise Messwerte der Windgeschwindigkeit. Normalerweise gibt es zwei Arten dieser Geräte. Ein Typ versucht, die Temperatur des Drahtes aufrechtzuerhalten, der andere Typ den Stromfluss. Die Messwerte ergeben sich aber immer aus der Differenz zwischen Soll- und Ist-Wert. Letztere Version wird in Bereichen mit relativ konstanter Temperatur eingesetzt, beispielsweise in Innenräumen zur Kontrolle von Abzugshauben, Heizungs- und Lüftungssystemen und zur Abgasüberwachung.
Laser-Doppler-Anemometer
Diese Messinstrumente nutzen den Doppler-Effekt zur Bestimmung der Geschwindigkeit in einem Strömungsfeld, vereinfacht ausgedrückt also die Veränderung der Signallaufzeit bei Reflexionen. Selbst kleinste Veränderungen in Strömungsfeldern sind mit dieser Technologie messbar.
Verwendet wird dabei ein in zwei Strahlen aufgeteilter Laserstrahl. Einer dient als Referenz, der andere ist auf die Luft- oder Fluidteilchen gerichtet. Die Geschwindigkeit des zu messenden Mediums ergibt sich aus der zeitlichen Differenz beziehungsweise der Frequenzverschiebung zwischen dem Referenzstrahl und dem Reflexionsstrahl, wenn diese auf einen Detektor treffen.
Laser-Doppler-Anemometer sind vorteilhaft, weil sie den Volumenstrom nicht stören und nicht kalibriert werden müssen. Sie können sogar in verschmutzten oder umgekehrten Strömungsumgebungen exakte Messungen ermöglichen. Diese Art von Anemometern wird häufig in komplexen Systemen wie in Düsentriebwerken und in der Flusshydrologie eingesetzt.
Ultraschall-Anemometer
Ultraschall-Anemometer gehören zu den modernsten Anemometer-Typen. Sie ermitteln die Windgeschwindigkeit durch vom Wind beeinflusste Schallwellen zwischen Ultraschallsendern und -empfängern. Vom Prinzip her ähneln sie damit den Lasergeräten. Diese Anemometer bieten den Vorteil einer sehr kurzen Zeitkonstante, sind aber verhältnismäßig teuer. In der Regel verfügen sie über vier Sensoren, die in einem Quadrat angeordnet sind. Ultraschall-Anemometer sind witterungsbeständig und sind relativ unempfindlich gegenüber Vereisung, wie sie beispielsweise bei stationären Flügelrad-Anemometern nicht auszuschließen ist.
Es gibt sie in zweidimensionaler oder dreidimensionaler Ausführung. Die zweidimensionalen Typen finden sich häufig in der Navigation und in der Luftfahrt, während die dreidimensionalen zur Messung von Emissionen dienen, beispielsweise in Industriekraftwerken oder Windkraftanlagen. Da sie nicht viele bewegliche Teile enthalten, lassen sie sich auch in autonomen Wetterstationen einsetzen.
Staurohr-Anemometer
Staurohr- oder Pitot-Rohr-Anemometer messen den Druck der in eine dünne Röhre einströmenden Luft, der dann in eine Windgeschwindigkeitsanzeige umgewandelt wird. Sie können normalerweise mit sehr hohen Lufttemperaturen und -geschwindigkeiten umgehen.
Pitot-Rohre sind recht klein und eignen sich auch zum Einbau in Rohrleitungen. Sie besitzen keine rotierenden Teile und sind deshalb sehr verschleißfest. Allerdings eignen sie sich nicht für Orte mit stark schwankenden Windströmungen und Bereiche mit geringer Luftgeschwindigkeit. Ein typischer Einsatzbereich sind Geschwindigkeitsmesser an Flugzeugen. Hier ragen sie als kleines Rohr mit einer Öffnung in Flugrichtung aus dem vorderen Flugzeugrumpf.
Welcher Anemometer-Typ in Frage kommt, hängt naturgemäß vom geplanten Einsatzzweck ab. Allen Anemometern gemeinsam sind die Messbereiche für die Windgeschwindigkeit und den Luftdurchsatz. Ersterer beginnt bei 0 Metern pro Sekunde und endet bei 80 Metern pro Sekunde. Der Luftdurchsatz wird entweder in Kubikmetern pro Minute oder pro Stunde angegeben, wobei häufig die Minimalleistung zählt. Zahlreiche Anemometer messen zudem nicht nur die Windgeschwindigkeit und den Luftdurchsatz, mit ihnen lassen sich auch die Temperatur und die Luftfeuchte ermitteln.
Wichtig ist bei allen Messwerten die Genauigkeit, sie wird im Allgemeinen in Metern pro Sekunde, in Prozent oder – bei der Temperaturmessung – in Grad Celsius angegeben. Kommt es hier auf absolut exakte Werte an, spielt die Kalibrierung eine entscheidende Rolle. Selbst preiswerte Geräte verfügen oft über eine Kalibrierung nach Werksstandard, manchmal auch mit Zertifikat. Hochwertige Anemometer, die teilweise gleich mehrere Messmethoden bieten, sind nach ISO oder durch ein DakkS-akkreditiertes Labor kalibriert.
Unser Praxistipp: Notwendigkeit einer Kalibrierung
Für Hersteller sind externe Qualitätsprüfungen mit erheblichen Kosten verbunden. Der Zertifizierungsprozess ist ein eigener Markt mit einem Dschungel aus Vorschriften. Wenn ein Messgerät keine international vergleichbare Zulassung hat, sollte Sie das als privater Anwender nicht unbedingt stören, denn es sagt nicht notwendigerweise etwas über die Qualität aus.
Wirklich mit derartigen Richtlinien und Vorschriften auseinandersetzen müssen sich in der Regel nur Einkäufer im industriellen Bereich, deren Firmen für die Einhaltung hoher Standards eigene Qualitätsabteilungen unterhalten.
Ob als mobiles Handgerät, als Teil einer meteorologischen Station oder im industriellen Einsatz – häufig ist neben der Messung aktueller Strömungsgeschwindigkeiten auch deren Dokumentation gefordert. Dazu enthalten zahlreiche Windmesser einen Messwertspeicher, dessen Inhalt sich zur Weiterverarbeitung auf Tablet oder PC laden lässt. Als optimal haben sich dabei die weit verbreitete USB-Schnittstelle oder eine Verbindung über Bluetooth erwiesen.
Wie häufig kann ein Anemometer eingesetzt werden?
Anemometer sind im Rahmen ihrer Lebensdauer unendlich oft einsetzbar. Wichtig sind jedoch ein sachgemäßer Einsatz und die regelmäßige Kalibrierung. Hierbei unterstützen die Hersteller sowie weitere Dienstleister. Das Kalibrierintervall kann je nach Modell und Einsatz ein Jahr oder mehrere Jahre betragen.
Wie exakt misst ein Anemometer?
Ein Anemometer misst sehr exakt mit einer Messgenauigkeit von 3% oder weniger (je nach Modell). Wichtig ist in erster Linie der sachgemäße Einsatz des Anemometers.
Je nach Bauform und Messtechnik können dafür weitere Extras nötig oder eine bestimmte Vorgehensweise einzuhalten sein. In den Handbüchern zu den Geräten wird das richtige Vorgehen erklärt.