Ratgeber
Drehmomentschlüssel gehören zur Grundausstattung einer jeden Werkstatt. Sie sind die idealen Werkzeuge, um Schrauben und Muttern präzise und fest anzuziehen. In unserem Ratgeber erfahren Sie, welche Arten von Drehmomentschlüsseln es gibt und welche Kriterien beim Kauf von Bedeutung sind.
In Industrie und Handwerk ist die Verschraubung eine der am häufigsten genutzten Verbindungsarten. Ausreichend dimensioniert, hält sie fest und dauerhaft. Darüber hinaus lässt sie sich im Unterschied zu manch anderen Verbindungen ohne Zerstörung wieder lösen. Um Schraubverbindungen herzustellen, kommen Drehmomentschlüssel zum Einsatz. Dabei handelt es sich um kalibrierte Präzisionswerkzeuge, mit deren Hilfe Sie die bei Schraubverbindungen vorgeschriebenen Anzugdrehmomente genau einhalten. Sie montieren damit Schrauben und Muttern mithilfe von Nüssen und Bits kontrolliert kraftschlüssig mit exaktem Anzug für einen gleichmäßigen Halt. Die drehmomentkontrollierten Verschraubungen gewährleisten auch bei maximaler mechanischer Belastung die größtmögliche Klemmkraft zwischen den Bauteilen.
Ein Drehmomentschlüssel ermöglicht ein sicheres Arbeiten und verhindert Schäden am Material. Mit herkömmlichen Werkzeugen werden Schrauben nämlich oft zu fest angezogen. Das passiert beispielsweise häufig bei Felgen an Reifen, Lenkungslagern am Fahrrad oder Fräs- oder Schneidköpfen an Werkzeugmaschinen. Typische Folgen sind ein überdrehtes oder abgerissenes Gewinde, das repariert oder ganz ersetzt werden muss und Stillstandzeiten verursacht. Ein Festziehen über den vorgeschriebenen Anzugspunkt hinaus kann außerdem zu erhöhter Materialbeanspruchung und vorzeitigem Verschleiß führen. Abgesehen davon lassen sich zu fest angezogene oder überdrehte Verbindungen schlecht lösen.
Zu schwach angezogene Schraubverbindungen halten hingegen nicht fest genug und fixieren die verbundenen Bauteile nur unzureichend. Lockere Schrauben sind ein beachtliches Sicherheitsrisiko. Sie können sich unter Lasteinwirkung, durch Vibrationen oder bei Beanspruchung lösen und damit Menschen und Sachgegenstände gefährden. Bei Verwendung eines kalibrierten Drehmomentschlüssels können Sie sicher sein, dass Muttern und Schrauben korrekt angezogen werden.
Auch wenn es sich bei einem Drehmomentschlüssel augenscheinlich um ein schlichtes Werkzeug handelt, das lediglich aus einer Knarre und einem Metallrohr als Hebel besteht, steckt dahinter eine clevere Konstruktion. Im Inneren des Griffs kommen mehrere Komponenten zusammen. Dazu gehören eine vorgespannte Feder, ein Klapphebel, eine Übertragung und der Antrieb, die gemeinsam eine Hebelkette bilden. Dieser Aufbau reduziert den Kraftaufwand und die Belastung der Mechanik auf ein Minimum.
Ein Drehmomentschlüssel verhindert, dass die beim Schrauben aufgebrachte Drehkraft ungehindert auf das Verbindungsstück einwirkt. Damit das funktioniert, gehen Sie folgendermaßen vor: Das Drehmoment stellen Sie am Griff des Schraubenschlüssels über eine Skala oder Digitalanzeige in Newtonmeter (Nm oder N-M) ein. Entriegeln Sie zunächst den Feststellmechanismus, der ein unbeabsichtigtes Verstellen bei der Arbeit verhindert. Die Kraftvorwahl erfolgt innerhalb des in der Produktbeschreibung angegebenen Arbeitsbereichs, in dem das Werkzeug verstellbar ist.
Viele Modelle verfügen über eine zweistufige Einstellung: Über die Skala der Grobeinstellung wählen Sie den nächstniedrigen Skalenwert zum angepeilten Nm-Wert aus. Über die Feinskala addieren Sie dann den zum Zielanzugsmoment noch fehlenden Nm-Wert.
Stellen Sie bei einem umschaltbaren Modell mit Rechts- und Linkslauf die Drehrichtung am Umschalthebel oder mittels Durchsteck-Vierkant ein. Befestigen Sie nun noch die benötigte Stecknuss, den Steckschlüsseleinsatz oder Schraubendreheraufsatz auf dem Antriebsvierkant am Kopf des Drehmomentschlüssels – schon kann es losgehen.
Betätigen Sie den Schlüssel ausschließlich am Griff und drücken Sie gleichmäßig. Die Vorspannung entscheidet darüber, wann das Werkzeug auslöst. Das Erreichen der vorgewählten Kraft wird Ihnen bei einem "auslösenden" Modell durch ein gut hörbares Knackgeräusch oder auch fühlbar durch Auslösen eines Ratschmechanismus signalisiert. Danach ist das Gerät sofort wieder einsatzbereit für weitere Verschraubungen.
Schraub- und Messschlüssel gibt es für verschiedenste Anwendungsbereiche und sind jeweils auf bestimmte Anforderungen des kontrollierten Anzugs abgestimmt. So gibt es Modelle für Montage- und Reparaturarbeiten an Kraftfahrzeugen, Maschinen, Metallkonstruktionen und Produktionsanlagen, für den Einsatz auf Baustellen und so fort. Eine grundsätzliche Unterscheidung kann man zwischen manuellen und automatischen Drehmomentschlüsseln machen. Letztere signalisieren, wenn das voreingestellte Drehmoment erreicht wird, und stoppen dann automatisch. Bei einem manuellen Schlüssel müssen Sie selbst auf die Skala achten, um das Drehmoment zu überwachen und anzuhalten, wenn der gewünschte Anzugsmoment erreicht ist.
Auslösende Drehmomentschlüssel
Bei einem auslösenden Drehmomentschlüssel überwacht ein Feder-Kupplungsmechanismus im Inneren des Griffs das Drehmoment aktiv. Die Einstellung des Soll- oder Zieldrehmoments erfolgt über eine Skala. Das Erreichen des gewählten Drehmoments wird akustisch, haptisch oder optisch signalisiert.
Elektronische Drehmomentschlüssel
Bei einem digitalen Drehmomentschlüssel erfolgt die Messung des Anzugsmoments durch einen Dehnungsmesstreifen. Die gewünschten Soll- und Zielwerte gibt man mithilfe von Bedienelementen ein, die sich am Griff des Tools befinden. Die Anzeige des Drehmoments erfolgt über LEDs oder auf einem Digitaldisplay. Ein elektronisches Signal meldet das Erreichen des gewünschten Drehmoments.
Anzeigende Drehmomentschlüssel
Anzeigende Drehmomentschlüssel arbeiten rein manuell ohne Auslösemechanismus. Diese Varianten sind einfach bedienbar und günstig in der Anschaffung. Sie zeigen die Anzugskraft und damit das Drehmoment auf einer mechanischen Skala oder Messuhr an. Anwender und Anwenderinnen sind selbst für die Einhaltung des Anzugs verantwortlich, indem sie den Schraubvorgang bei Anzeige des gewünschten Drehmoments stoppen.
Für Anwendungsbereiche, bei denen es auf höchste Präzision ankommt, ist der Gebrauch kalibrierter Drehmomentschlüssel empfehlenswert. Federspannung und Mechanik dieser Modelle sind werksseitig so abgestimmt, dass die Soll-Anzugsdrehmomente exakt eingehalten werden. Das mitgelieferte Prüfzertifikat dient als Nachweis über die Kalibrierung.
Als Folge häufiger Nutzung lässt die Vorspannung der Feder und damit Genauigkeit des Werkzeugs im Laufe der Zeit nach. Durch regelmäßiges Kalibrieren lässt sich die Mechanik neu justieren und der Drehmomentschlüssel erhält seine ursprüngliche Genauigkeit zurück. Wie oft eine Kalibrierung durchgeführt werden sollte, hängt von den Vorgaben der Branche, den zulässigen Toleranzen, den Materialien und der individuellen Verwendung des Werkzeugs ab.
Mit einem elektronischen Prüfgerät können Sie testen, ob das eingestellte Zieldrehmoment innerhalb der gewünschten Toleranzen erreicht wird. Die Kalibrierung oder Rekalibrierung als solches erfolgt beim Gerätehersteller, sofern dieser einen entsprechenden Service anbietet, oder in einer unabhängigen Prüfwerkstatt. Drehmomentschlüssel sind in der Regel mit dem Namen und der Modellbezeichnung des Herstellers sowie dem zulässigen Anwendungsbereich gekennzeichnet. Hochwertige Modelle tragen eine eindeutig aufgebrachte Seriennummer zur Identifikation und Hinweise zur Kalibrierung.
Tipp: Aus Sicherheits-, Haftungs- und Versicherungsgründen ist es ratsam, auf die Kalibrierung der eingesetzten Geräte zu achten. Eine regelmäßige Überprüfung stellt die Genauigkeit langfristig sicher.
Drehmomentschlüssel sind in verschiedenen Größen und Formen erhältlich und unterscheiden sich im Kraftbereich sowie in ihrer spezifischen Ausstattung. Ein wichtiger Parameter bei der Auswahl ist das Drehmoment. Für Drehmomentschlüssel wird ein zulässiger Arbeitsbereich angegeben, in dem das Werkzeug verstellbar ist und eingesetzt werden darf. Manche Werkzeuge arbeiten in Bereichen von 40 Nm bis 200 Nm, andere von 20 Nm bis 120 Nm und wieder andere von 5 Nm bis 25 Nm. Die Genauigkeit der Schlüssel ist im Mittelfeld des angegebenen Nm-Arbeitsbereichs am größten. Ist Ihnen Präzision wichtig, lohnt es sich, mehrere Drehmomentschlüssel mit kleinerem Nm-Messbereich anzuschaffen. Für sicherheitskritische Anwendungen, Arbeiten am Fließband und Serienproduktionen gibt es Schlüssel ohne Einstellskala mit herstellerseitig fest eingestelltem Drehmoment. Eine Alternative sind Modelle, die Sie mittels eines Prüfgeräts oder einer Kalibrieranlage individuell auf das benötigte Drehmoment justieren können.
Darüber hinaus gilt es, einen Drehmomentschlüssel in der richtigen Größe zu wählen. Sie bezieht sich auf den Antrieb im Ratschenkopf und wird in Zoll angegeben. Gängige sind 1/2 Zoll (12,5 mm), 1/4 Zoll (6,3 mm) und 3/8 Zoll (10 mm). Von der Größe des Antriebs hängt ab, welche Stecknüsse und Aufsätze Sie befestigen können. Je größer der Antrieb, desto größer sind die Stecknüsse, die der Drehmomentschlüssel aufnehmen kann. Schlüssel mit 1/4 Zoll sind relativ klein und kommen vor allem bei Reparaturen an Fahrrädern, E-Scootern und vergleichbar feine Arbeiten zum Einsatz. Demgegenüber sind bei Arbeiten an Autos, Motorrädern und anderen Kraftfahrzeugen 1/2-Zoll-Drehmomentschlüssel am weitesten verbreitet. In der Industrie, im Maschinenbau und in der Fertigung finden auch größere Modelle Anwendung. Relevant ist zudem, aus welchem Material ein Drehmomentschlüssel besteht, denn dieses wirkt sich auf die Haptik, Robustheit, Langlebigkeit, den Rostschutz und auch auf den Preis aus. Schlüssel aus Stahl in hochwertiger Industriequalität sind besonders widerstandsfähig gegen mechanische Abnutzung und eignen sich auch für härteste Dauerbeanspruchungen.
Darüber hinaus ist die konkrete Ausstattung in den Blick zu nehmen. Einige Modelle erlauben eine schnelle Umstellung von Rechts- auf Linkslauf, so dass Sie je nach Situation in beide Richtungen drehen können. Hierzu muss der Vierkant einfach auf die andere Seite gesteckt oder der Umschalthebel an der Ratsche betätigt werden. Sicherheits- und Komfortfeatures sollten ebenfalls nicht fehlen, insbesondere rutschhemmende, ergonomisch geformte Griffe, eine gute ablesbare Anzeige und leicht bedienbare Entriegelungsmechanismen zum schnellen Wechsel der Einsteckwerkzeuge. Das ermöglicht eine angenehme und sichere Handhabung.
Wichtig zu wissen ist auch, ob der Drehmomentschlüssel mit Verlängerungen funktioniert. Grund: Die Drehmomentübertragung erfolgt abhängig vom Hebelarm. Eine Betätigung außerhalb des Griffs oder die Verwendung von Verlängerungsrohren beeinträchtigt normalerweise die Einhaltung des Drehmoments. Es kommt zu einer unerwünschten Werteverschiebung und Beeinflussung der Genauigkeit. Deswegen sollte man in Erfahrung bringen, ob sich das jeweilige Modell ohne Werteverschiebung auch außerhalb des Griffs oder mit einem Verlängerungsrohr bedienen lässt. Praktisch ist auch, wenn ein Drehmomentschlüssel nicht nur für die Herstellung, sondern ebenso zum Lösen von Schraubverbindungen verwendet werden kann. In dem Zusammenhang ist entscheidend, dass der maximale Anzugsdrehmoment nicht überschritten wird.
Stellen Sie den Drehmomentschlüssel nach Verwendung auf das niedrigste Drehmoment (den niedrigsten Skalenwert) ein. Dadurch entspannt sich die Mechanik und die Genauigkeit bleibt lange erhalten. Benutzen Sie den Schlüssel längere Zeit nicht, lösen Sie ihn beim nächsten Gebrauch mehrfach mit dieser niedrigen Skaleneinstellung aus, um eine korrekte Schmierung zu erreichen.
Wie reinige ich einen Drehmomentschlüssel richtig?
Tauchen Sie einen Drehmomentschlüssel zum Zweck der Reinigung nicht in Wasser oder Lösungsmittel. Es genügt ein gelegentliches Abwischen mit einem trockenen Tuch.
Kann ein Drehmomentschlüssel überdrehen?
Ist ein Drehmomentschlüssel beschädigt, kann es dazu kommen, dass er überdreht. Gleiches kann passieren, wenn Sie das Werkzeug falsch einstellen. Es ist aber auch möglich, dass das Drehmoment aufgrund der Materialbeschaffenheit der Schrauben schneller erreicht wird als erwartet.
Was für Zubehör für Drehmomentschlüssel gibt es?
Anzugskontrollierte Schlüssel sind nicht nur einzeln, sondern auch in praktischen Sets erhältlich. Mit einem Drehmomentschlüssel-Set stehen Ihnen neben dem Werkzeuggriff unterschiedliche Einsteckwerkzeuge für die Vierkantaufnahme zur Verfügung. Aufsätze sind ebenfalls als separates Zubehör erhältlich, genauso wie Verlängerungen, die die Reichweite erhöhen und den Zugang zu schwer erreichbaren Stellen erleichtern, oder Drehwinkeladapter, um neben dem Drehmoment auch den Drehwinkel präzise zu messen.