DOCSIS-Standard » Der Schlüssel für schnelles Internet über Kabel-TV
Veröffentlicht: 15.12.2022 | Lesedauer: 5 Minuten
Mit der Erfindung des Telefons im Jahr 1876 fiel auch der Startschuss zum Aufbau eines kabelgebundenen Telefonnetzes. Aufgrund des immer schneller voranschreitenden Netzausbaus war es nicht überraschend, dass für die erste elektronische Datenübertagung im Jahr 1969 einfach die bestehenden Telefonleitungen als Infrastruktur genutzt wurden. Auch das Internet, das ab 1993 für die Öffentlichkeit zugänglich war, erforderte von Beginn an einen Telefonanschluss.
Selbst wenn die damals verwendeten analogen Modem mittlerweile Museumsstücke sind, laufen die aktuellen Internetverbindungen zum Teil auch heute noch über die dünnen Telefondrähtchen. Doch mittlerweile gibt es weitere Möglichkeiten, sich einen schnellen Zugang zum World Wide Web zu verschaffen. Eine davon ist Kabel-TV und DOCSIS. Was sich hinter DOCSIS verbirgt und wie es funktioniert, erklären wir Ihnen in unserem Ratgeber.
Die etwas eigentümlich anmutende Bezeichnung DOCSIS ist einfach nur die Anreihung der Anfangsbuchstaben für Data Over Cable Service Interface Specification. Im Prinzip handelt es sich dabei um eine Schnittstellenspezifikation für die Datenübertragung per Kabel. Allerdings beschreibt die Spezifikation nicht den Transport über ein Telefonkabel (1). Vielmehr geht es um die Übertragung von hohen Datenraten über ein Fernsehkabel (2), wie es bei einem Kabelanschluss genutzt wird.
Denn ähnlich wie der Ausbau des Telefonnetzes, wurde seit den 1980er Jahren auch ein Kabelnetz für TV-Teilnehmer aufgebaut. Beginnend in den Großstädten verbreitete sich das Kabelfernsehen immer weiter und war zunächst lediglich als Verteilmedium ausgelegt. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Doppelader-Telefonleitungen können über geschirmte Koaxialleitungen weit mehr Informationen als nur TV-Signale oder Radioprogramme übertragen werden.
Und durch den Einsatz von rückkanalfähigen Kopfstellen ist es nun auch möglich, auf dem TV-Kabel eine Signalübertragung in beide Richtungen durchzuführen. Allerdings ist für die schnelle, sichere und effiziente Übertragung von Daten in einem Breitbandkabelnetz ein bestimmter Standard erforderlich, der im Jahr 1997 mit dem DOCSIS-Standard geschaffen wurde.
Um die Funktionsweise des DOCSIS-Standards darstellen zu können, muss zunächst ein kleiner Einblick auf das OSI-Schichtmodell (Open Systems Interconnection) gegeben werden. Denn die DOCSIS-Spezifikationen sind im OSI-Modell auf den Schichten (Layern) eins und zwei angesiedelt. Dazu zählen je nach DOCSIS-Version Übertragungsbandbreiten, Multi-Carrier-Modulationsverfahren und Multiplexverfahren. Das OSI-Modell ist eine in sieben Schichten oder Ebenen aufgebaute Architektur, die eine geregelte Kommunikation unterschiedlicher technischer Systeme innerhalb eines Computernetzes beschreibt.
Die Schichten bauen beginnend mit der ersten Schicht aufeinander auf, wobei die jeweiligen Instanzen, also die organisatorischen Einheiten in einer hierarchischen Weisungsstruktur, ihre Dienste an die direkt darüber liegende Schicht zur Verfügung stellen.
Die sieben Schichten des OSI-Modells:
Schicht | OSI-Schicht | Funktion | Einordnung |
---|---|---|---|
7 | Anwendungsschicht (Application Layer) |
Anwendung | Anwendungsorientiert |
6 | Darstellungsschicht (Presentation Layer) |
Anwendung | Anwendungsorientiert |
5 | Sitzungsschicht (Session Layer) |
Anwendung | Anwendungsorientiert |
4 | Transportschicht (Transport Layer) |
Transport | Transportorientiert |
3 | Vermittlungsschicht (Network-Layer) |
Internet | Transportorientiert |
2 | Sicherungsschicht (Data Link Layer) |
Netzzugriff | Transportorientiert |
1 | Bit-Übertragungs-Schicht (Physical Layer) |
Netzzugriff | Transportorientiert |
Datenübertragung innerhalb des Schichtmodells
Auch wenn die einzelnen Schichten (Layer) vertikal aufeinander aufbauen, findet die direkte Datenübertagung horizontal zwischen den Instanzen der jeweiligen Schichten statt.
Dazu werden in jeder Schicht unterschiedliche Protokolle verwendet.
In der beigefügten Abbildung haben wir drei der sieben Schichten exemplarisch dargestellt.
Seit der Einführung hat das DOCSIS-Protokoll eine kontinuierliche Weiterentwicklung erfahren. So konnte der DOCSIS-Standard an die technischen Gegebenheiten, wie zum Beispiel geänderte Frequenzbereiche, die Einführung der Glasfaser-Technik und auch an die stetig wachsenden Anforderungen an die Übertragungs-Geschwindigkeit angepasst werden. Der ursprüngliche Frequenzbereich lag bei der Einführung noch zwischen 50 MHz und 862 MHz. Mittlerweile wurde der Frequenzbereich auf 1.800 MHz bzw. 1,8 GHz erweitert, wobei auch die Frequenzen der weggefallenen analogen Fernsehkanäle für den Datenverkehr genutzt werden.
DOCSIS 1.0
Mit dem im Jahr 1997 von einem amerikanischen Kabelnetzbetreiber spezifizierten Standard waren bei der Datenübertragung bereits beachtliche Geschwindigkeiten von etwa 40 Mbit/s im Downstream und 10 Mbit/s im Upstream erreichbar.
DOCSIS 2.0
Mit DOCSIS 2.0, das im Jahr 2002 erschienen ist, wurde die Bandbreite pro Teilnehmer erhöht, sodass Echtzeitübertragungen möglich waren. Die Upstream-Geschwindigkeit wurde auf 30 Mbit/s erhöht.
DOCSIS 3.0
Ab dem Jahr 2006 konnten mit DOCSIS 3.0 bis zu 32 Sende-Kanäle und Empfangs-Kanäle gebündelt werden. Dadurch steigerte sich die Geschwindigkeit im Downstream auf 1 Gbit/s und beim Upstream waren nun bis zu 100 Mbit/s erreichbar.
DOCSIS 3.1
Durch ein verbessertes Modulationsverfahren und durch die flexible Nutzung unterschiedlich breiter Träger werden Geschwindigkeiten von 10 Gbit/s für den Download und 1 Gbit/s für den Upstream unterstützt. Durch die Abschaltung der analogen TV-Kanäle reicht das nutzbare Frequenzspektrum nun von 5 MHz bis 1,8 GHz.
DOCSIS 4.0
Der Standard DOCSIS 4.0 ist eine Weiterentwicklung der 2017 erschienen DOCSIS 3.1 Full-Duplex Version. Dabei wurde die unterstützte Downstream-Geschwindigkeit von 10 Gbit/s beibehalten, jedoch die Upstream-Geschwindigkeit auf 6 Gbit/s erhöht. Die Latenzzeit, die ein Datenpaket vom Endgerät zum Server und wieder zurück benötigt, wurde auf 1 ms verringert.
Hinweis EuroDOCSIS 3.0
Bei dem in Europa genutzten TV-Standard PAL (Phase Alternating Line) wurde ein Kanalraster von 8 MHz festgelegt. Im Gegensatz dazu beträgt die Bandbreite bei dem in Amerika genutzten System NTSC lediglich 6 MHz. Dies führte dazu, dass für Europa die DOCSIS-Spezifikationen angepasst und mit EuroDOCSIS bezeichnet wurden. Ab der Version 3.1 findet eine Unterscheidung zwischen DOCSIS und EuroDOCSIS 3.0 nicht mehr statt.
Um den schnellen Internetzugang über TV-Kabel nutzen zu können, muss vorab geprüft werden, ob ein Hausübergabepunkt (HÜP) für Kabel-TV vorhanden ist. Da der Ausbau des Kabelnetzes zunächst in den größeren Ballungsgebieten erfolgte, ist die Verfügbarkeit regional recht unterschiedlich. Im Bedarfsfall ist mit dem vor Ort zuständigen Kabelversorger abzuklären, ob ein Anschluss installiert werden kann.
Vom Hausübergabepunkt aus werden die Signale zunächst verstärkt und individuell im Gebäude verteilt. Über Multimediadosen werden die jeweiligen Signale für TV, Radio und Datenübertragung aufgeteilt. Der „Cable“-Anschluss der Multimediadose wird dann an einen Cable-Router mit integriertem Modem angeschlossen. Dieses Modem bzw. Kabelmodem übernimmt, wie ein klassischer DSL-Router, alle gängigen Aufgaben wie LAN, WLAN und Telefonie.
Da es sich bei dem TV-Kabelnetz um ein Shared Medium handelt, müssen sich die Kabelmodem der angeschlossenen Teilnehmer die zur Verfügung stehende Bandbreite teilen. Und trotzdem ist eine Internetverbindung über Kabel-TV deutlich schneller und stabiler als ein Internetzugang über DSL. Dabei definiert der DOCSIS-Standard einen MAC-Layer (Media Access Control), mit dessen Hilfe die Netzbetreiber Bandbreiten einstellen, Dienste konfigurieren und auch Modems warten kann. Um ein unberechtigtes „Mitlesen“ fremder Datenraten zu vermeiden, findet der Datenverkehr zwischen der Kopfstation und dem jeweiligen Kabelmodem verschlüsselt statt.
DOCSIS-kompatible Produkte
Diese Frage ist letztendlich lediglich für die Leute interessant, die sowohl über einen Telefonanschluss als auch über einen Kabel TV-Anschluss verfügen. Die markantesten Unterschiede haben wir in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst.
Anschlussart | Telefonkabel | Kabel-TV |
---|---|---|
Übertragungsraten Download | 16 Mbit/s (DSL) 100 Mbit/s (VDSL) 250 Mbit/s (Supervectoring |
Bis zu 10 Gbit/s |
Übertragungsraten Upload | 40 Mbit/s | Bis zu 6 Gbit/s |
Verfügbarkeit | Flächendeckender Ausbau | Kein Flächendeckender Ausbau |
Anbieter | Große Anbietervielfalt und umfangreiche Angebote | Reduzierte Anbietervielfalt |
Vorteile | Hohe Verfügbarkeit Konstante Geschwindigkeit Jeder User hat seine eigene Leitung |
Sehr hohe Downstream-Raten Durch Verstärkereinsatz stabile Signale |
Nachteile | Instabil bei großen Entfernungen zum Verteiler Langsamere Downstream-Datenraten |
Geschwindigkeitsschwankungen bei Stoßzeiten Keine flächendeckende Verfügbarkeit |
Fazit:
Durch die höheren Datenraten hat das Kabel-Internet definitiv klare Vorteile bei der IP-Telefonie, bei Livestream-Konferenzen und beim schnellen Austausch großer Datenmengen. Das ist auch der Grund, warum Firmen und Unternehmen vorzugsweise die Anschlussart bevorzugen. Vorausgesetzt ein Kabelanschluss ist verfügbar. Und mit dem zunehmenden Ausbau des Gigabit Kabelnetzes per Glasfaser werden in Zukunft noch schnellere Internetverbindungen möglich werden.