Autarkes Haus » Energieautarkes Haus für mehr Unabhängigkeit
Veröffentlicht: 10.10.2022 | Lesedauer: 7 Minuten
Die Energiekrise und der Klimawandel zeigen deutlich, wie private Haushalte und vor allem gewerbliche Verbraucher abhängig von Gas und Elektrizität als primäre Energiequellen sind.
Besonders beim Gaspreis und beim Öl sind schmerzhafte Preissprünge an der Tagesordnung. Auch die Angst vor Lieferengpässen bei fossilen Brennstoffen sowie vor Stromausfällen ist riesig.
Da rückt der Wunsch nach energieautarkem Wohnen für viele in den Fokus. Wer energieautark wohnt, kann steigenden Energiepreisen gelassen entgegensehen.
Stromausfälle oder Unterbrechungen bei Gas treffen Personen mit einem energetisch weitgehend abgekoppelten Eigenheims weniger stark, deutlich später oder überhaupt nicht.
Was hat es mit dem autarken Haus auf sich? Und was können Sie tun, um Ihr eigenes Haus mit Blick auf die Heizung und den Strom autarker zu machen? In unserem Ratgeber erfahren Sie mehr.
Autark heißt so viel wie unabhängig sein – und das bezieht sich vor allem auf die Energieversorgung.
Wohngebäude besitzen typischerweise viele Anschlüsse nach draußen. Darüber werden Strom, Gas oder Fernwärme, Wasser sowie Abwasser zu- oder abgeleitet.
Autarkes Wohnen und das autarke Einfamilienhaus stehen für ein Wohnkonzept im Einklang mit der Energiewende und dem Klimaschutz: reduziert oder besser abgekoppelt von äußeren Einflüssen und Abhängigkeiten – entweder energetisch oder wirtschaftlich – oder beides.
Ein autarkes Gebäude erzeugt die Energie, die die bewohnenden Personen verbrauchen, nämlich selbst.
Je nach Abstufung kann die Selbstversorgung den Bezug von Strom und Wärme umfassen oder auch die Wasserversorgung.
Mögliche Bestandteile eines autarken Hauses
Es hat viele Vorteile, das Eigenheim unabhängig von externen Energiequellen zu machen. Das ganzheitlich eigenenergetische Einfamilienhaus …
✓ steht für eine effiziente, nachhaltige, umweltfreundliche und grüne Energieversorgung.
✓ sorgt für die Nullreduzierung von externem Strom, Heizenergie und Warmwasser.
✓ spart die Grundkosten sowie die verbrauchsabhängigen Entgelte für die Energieversorger am Wohnort.
✓ macht unabhängig von Versorgungsengpässen und Lieferschwierigkeiten.
✓ entkoppelt auf Wunsch vom öffentlichen Netz und Anschlussleitungen sowie von Versorgungsverträgen.
✓ gestaltet die Energiewende mit der eigenen Immobilie.
✓ beweist Pioniergeist und Vorbildcharakter.
✓ gibt den Bewohnern ein gutes Gefühl.
Autarke Häuser gibt es nicht von der Stange – und es gibt auch keine Blaupause für alle. Stattdessen existieren verschiedene Abstufungen. In der Regel spricht man heute bereits von einem autarken Haus, wenn dieses nicht mehr vollständig auf eine Versorgung mit Strom und Wärme von außen angewiesen ist.
Kfw-Effizienzhaus
Den Einstieg markiert das KfW-Effizienzhaus, kurz Effizienzhaus. Es benötigt aufgrund von Dämmmaßnahmen und einer guten Isolierung deutlich weniger Energie als die von KfW herangezogenen Referenzgebäude. Das KfW-Effizienzhaus gibt es in den Varianten 40 und 40 Plus: Sie unterschreiten die Referenzwerte um 60 Prozent beim KfW-Effizienzhaus 40. In der Variante 40 Plus gelten die gleichen Anforderungen wie beim Effizienzhaus 40, hinzu kommen zusätzliche Vorgaben für Lüftungsanlage, Stromerzeugung, Batteriespeichersystem und Bedienterminal.
Passivhaus
Energieseitig sparsamer und damit einen Schritt in Richtung autark wohnen gehen Passivhäuser. Dank strikter Dämmung und noch besseren Wärmehalteeigenschaften lässt sich ein solches Gebäude primär durch passive Wärmequellen wie Sonnenstrahlung mittels Solaranlagen heizen. Als weitere Wärmequelle für die autarke Wärmeversorgung dient eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Sie verteilt die warme Luft über Kanäle im Haus. Das lohnt sich: Ein Passivhaus verbraucht etwa 90 Prozent weniger Heizwärme als ein bestehendes Gebäude und 75 Prozent weniger Energie als Neubauten. Passivhäuser gibt es inzwischen für fast alle Nutzungsarten: Wohngebäude, Büros und Verwaltungstrakte, Produktionshallen und Lagerbereiche.
Nullenergiehaus
Neben diesen Niedrigenergiehaus-Varianten gibt es das Nullenergiehaus. Es zeichnet sich durch eine ausgeglichene Energiebilanz aus: Das Gebäude verbraucht genauso viel Energie oder sogar weniger, wie durch Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen gewonnen wird. Innerhalb der Gebäudekategorien ist es die Entscheidung des Bauherrn oder Gebäudesanierers, wie er autark heizt und Strom erzeugt.
Das selbstversorgende Haus gibt es in mehreren Varianten mit unterschiedlicher Ausstattung und Anlagengröße. Dreh- und Angelpunkt ist die sehr gute Wärmedämmung, die sich bei Neubauten und im Rahmen einer energetischen Sanierung realisieren lässt. Sie hält die Wärme im Winter im Gebäude und beugt Wärmeverlust vor. Im Sommer schirmt sie die Hitze ab, damit es drinnen angenehm frisch und kühl bleibt.
Die Grundidee ist es, im Haus regenerative Energiequellen zu verwenden, etwa direkte Sonneneinstrahlung, Wind oder Umweltwärme. So können Sie auf den Einsatz nachwachsender Rohstoffe wie Holz verzichten. Autarke Wohnqualität für dauerhaftes Wohnen realisieren Sie am einfachsten durch die Kombination aus Photovoltaik-Anlage, Batteriespeicher und Wärmepumpe.
Wer die Sache ernst nimmt, setzt die umweltfreundliche autarke Energiegewinnung im Kleinen fort. Beispielsweise erlauben Lösungen im Bereich Smart Home wie EnOcean einen Betrieb von Komponenten ohne durch Batterien zugeführten Strom. Die nötige Betriebsenergie erzeugen Aktoren wie Lichtschalter und Taster mittels Energy Harvesting: Elektromechanische Wandler liefern kleinste Strommengen in Form von kinetischer Energie beim Schalterdruck.
Die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ist das Herzstück der Energieselbstversorgung.
Ein wiederaufladbarer Stromspeicher speichert den Tagesüberschuss an Strom aus der Solaranlage für die Nacht und kann den Energiebedarf an Folgetagen mit schlechter Witterung decken.
Alternativ zu Batteriespeichern werden Energiespeicher auf Basis von Wasserstofftechnologie angeboten.
Auch ein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit Kraft-Wärme-Kopplung, Thermovoltaik (Umwandlung von Wärme in Solarstrom) oder eine Kleinwindkraftanlage in Form eines Windgenerators erzeugen den benötigten Strom.
Ein wichtiger Punkt im autarken Haus ist eine geregelte Verbrauchssteuerung über ein Energie-Management-System (EMS). Das Gerät stimmt den Stromfluss zwischen den Verbrauchern im Gebäude, im Garten, der stromerzeugenden Anlage und dem Batteriespeicher flexibel ab.
Das EMS hilft, den selbst erzeugten Strom optimal zu nutzen. Dazu vernetzt es alle verstromten Geräte im Haushalt, kontrolliert den jeweiligen Verbrauch und koordiniert durch ein intelligentes Stromentnahme-Management den aktuellen Energiekonsum.
Je nachdem, wie viel Strom die PV-Anlage gerade erzeugt und wie voll der Stromspeicher noch ist, werden Geräte zu- oder abgeschaltet, das Licht gedimmt oder Ladevorgänge wie den für das Elektroauto an der Wallbox auf später verschoben. Das System entscheidet, wann Waschmaschine oder Trockner laufen und wann die Außenwärmepumpe für den Pool Strom bezieht. Läuft alles Hand in Hand, reicht die im Haus erzeugte Energie aus, damit weniger oder kaum Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen werden muss.
Weitere Aufgabe des EMS im energieautarken Haus: Es hilft Ihnen, die Energieströme im Bereich der Stromerzeugung und des Stromverbrauchs im Blick zu behalten. Dazu macht es die Daten über die Stromgewinnung und die Stromentnahme in Form von Diagrammen und Statistiken sichtbar.
Ein für Einfamilienhäuser besonders geeignetes Konzept für energetische Autarkie im Bereich Wärmeerzeugung und Warmwassergenerierung ist die Kombination von Photovoltaik-Anlage und Wärmepumpe. In Betracht kommen Erdwärmepumpen, Sole-Wasser-Wärmepumpen, Luft-Wasser-Wärmepumpen oder Luft-Luft-Wärmepumpen.
Sie nutzen je nach Technik die Wärme des Erdreichs oder der Luft zur Deckung des Wärme- und Warmwasserbedarfs im eigenen Haus. Praktisch: Die Wärmepumpe kann in den Sommermonaten auch zur Kühlung der Räume genutzt werden.
Mit einer Solarthermie-Anlage nutzen Sie die Kraft der Sonne für die Warmwasserbereitung und zum Heizen. Die Kollektoren der Solarthermie-Anlage auf dem Dach fangen das Sonnenlicht ein und wandeln es in Wärmeenergie um.
Diese Wäremeenergie wird über den Solarkreislauf in einen Pufferspeicher befördert und von dort für warmes Trink- oder Brauchwasser und für die Heizungsunterstützung im Wohnhaus verteilt.
Wasser für autarkes Leben beziehen Sie im Idealfall aus dem eigenen Brunnen auf Ihrem Grundstück. Die Genehmigung zum Bau eines Brunnens ist heutzutage aber schwer bis unmöglich zu erhalten.
Weiter wird eine Lösung für Ihr Abwasser benötigt. Obwohl eine eigene kleine Kläranlage rechtlich theoretisch möglich ist, besteht oftmals dennoch eine Anschlusspflicht ans öffentliche Abwasser.
Daher sollte dieser Bereich eher außen vor gelassen werden.
Das energieautarke Haus kann leicht ohne feste Telefon- und Internetverkabelung auf dem Grundstück auskommen.
Nutzen Sie stattdessen Internet über Funk oder LTE. Dafür benötigen Sie einen LTE-Router oder einen mobilen LTE-Hotspot.
Alternativ richten Sie an Ihrem Smartphone einen privaten Hotspot über das WLAN ein und teilen die mobile Datenverbindung.
Das autarke Haus benötigt auch keine klassische Fernsehverkabelung über einen Kabelanschluss.
Alternativen sind eine SAT-Anlage oder Fernsehen per WLAN und Internet.