Maverick-Buying » Bestellungen am Einkauf vorbei und die negativen Folgen
Veröffentlicht: 26.01.2022 | Lesedauer: 7 Minuten
Der Einkauf oder besser gesagt die Beschaffung ist in Unternehmen und Betrieben sehr oft unterschiedlich geregelt. Die bestehenden Vorgehensweisen haben sich zum Teil über Jahrzehnte hinweg entwickelt. So wurde zum Beispiel in der Werkstattleitung schon immer selber zum Telefon gegriffen, um die benötigten Ersatzteile oder ein erforderliches Messgerät zu bestellen.
Auch wenn das in der Vergangenheit nie ein Problem war, sind derartige Arbeitsweisen nicht mehr zeitgemäß. Denn moderne Betriebe arbeiten mit einer zentralen und digital unterstützten Warenbeschaffung. Doch es müssen sich alle Mitarbeitenden im Unternehmen auch strikt an die Vorgaben halten. Sonst entsteht eine kontraproduktive Eigendynamik in der Beschaffung, die in Fachkreisen als Maverick-Buying bezeichnet wird. Was damit gemeint ist und welche Folgen das für den Betrieb hat, wollen wir uns in diesem Beitrag etwas genauer anschauen.
Weitere Ratgeber zu E-Procurement Themen
Wie so Vieles im internationalen Büroalltag stammt auch der Begriff Maverick-Buying aus dem englischen Sprachgebrauch. Maverick bedeutet so viel wie Einzelgänger, Abtrünniger oder Herrenloser. Im deutschsprachigen Raum wird Maverick-Buying auch als „wilder Einkauf“ bezeichnet.
Wobei sich das Adjektiv „wild“ nicht zwangsläufig auf einen unüberlegten oder übertriebenen Einkauf bezieht. Vielmehr ist der Einkauf von Waren und Dienstleistungen außerhalb oder parallel zum geregelten Beschaffungsprozess gemeint. Also sämtliche Beschaffungen, die ohne Wissen oder Mithilfe der Einkaufsabteilung getätigt werden. Es gibt aber noch weitere Formen des Maverick-Buying. In der nachfolgenden Tabelle haben wir die drei Grundformen aufgeschlüsselt:
Grundformen des Maverick-Buying
Typ 1 | Beschaffungsvorgänge ohne Einbeziehung des Einkaufs. | Einzelne Personen wählen den Lieferanten selber aus und tätigen eigenmächtig eine Bestellung. |
Typ 2 | Die Einkaufsabteilung wird zu spät mit einbezogen. | Der Einkauf ist lediglich operativ tätig. Lieferantenanalyse und Preisverhandlungen sind nicht mehr möglich. |
Typ 3 | Bestehende Verträge werden nicht genutzt. | Es wird beim richtigen Lieferanten bestellt, aber die besseren Konditionen vom Einkauf werden nicht genutzt. |
Die Maverick-Buying-Quote kann recht einfach gemessen werden, in dem die vorhandenen Zahlen verglichen werden. Aufgrund der verschiedenen Grundformen des Maverick-Buyings gibt es auch unterschiedliche Messmöglichkeiten:
Maverick-Buying-Quote
Dazu wird das Einkaufsvolumen mit dem Finanzvolumen der Lieferanten gegenübergestellt. Die Differenz beschreibt die Höhe der Warenbeschaffung, die ohne Zutun der Einkaufsabteilung getätigt wurden. Dies betrifft die Grundformen Typ 1 und Typ 2.
Vertragsnutzungs-Quote
Die Vertragsnutzungs-Quote gibt Auskunft darüber, bei welchen Bestellungen die Vertragskonditionen genutzt worden sind.
Preis-Compliance-Quote
Die Preis-Compliance-Quote gibt an, bei welchen Bestellungen die Vertragskonditionen nicht genutzt worden sind. Es bleibt aber offen, ob der tatsächlich gezahlte Preis dem im Vertrag vereinbarten Preis entspricht.
Konditions-Compliance-Quote
Die Konditions-Compliance-Quote beschreibt, ob die angewandten Konditionen mit den Vertragskonditionen übereinstimmen.
Maverick-Buying kann die unterschiedlichsten Gründe haben und muss auch nicht unbedingt in böser Absicht geschehen. Einige mögliche Gründe haben wir für Sie zusammengestellt:
Wie zu erkennen ist, sind die Gründe von Maverick-Buying wirklich vielfältig. Dabei lassen sich nicht nur Personen auf der Mitarbeiterebene zum Maverick-Buying verführen. Auch Leute im Vorstand oder der Geschäftsführung neigen hin und wieder zum nicht regelkonformen Einkauf im Unternehmen.
In erster Linie kostet Maverick-Buying weitaus mehr Geld, als es sich die Verursacher oft selber eingestehen wollen. Denn der Zeitaufwand bei den nachgeschalteten Prozessen (Wareneingang und Finanzbuchhaltung) ist oft sehr hoch und mit erheblichen Kosten verbunden. In Folge können aber noch weitere negative Effekte auftreten:
-
Durch den fehlenden Preisvergleich werden die Waren zu teuer eingekauft.
-
Es werden keine oder nur unzureichende Preisverhandlungen geführt.
-
Es entstehen höhere Kosten wegen kleinerer Stückzahlen oder Mindermengen.
-
Bei den aktuell laufenden Bestellungen gibt es keine Transparenz.
-
Die Vorteile von bestehenden Rahmenverträgen können nicht genutzt werden.
-
Der Bestellwert fließt nicht in die Zielvereinbarung mit dem Lieferanten ein.
-
Bonusstaffeln werden nicht erreicht und Rabatte können nicht genutzt werden.
-
Imageschaden, wenn bestehende Lieferantenverträge nicht eingehalten werden.
Ebenso vielfältig wie die Gründe für den „wilden“ Einkauf sind auch die Lösungsansätze diesen zu verhindern. Einige wichtige Ansätze haben wir für Sie zusammengestellt.
Maverick-Buying ist sehr oft gut gemeint, um die Supply Chain aufrecht zu erhalten bzw. durch die eigene Abteilung nicht zu gefährden. Aber das Umgehen der bestehenden Beschaffungsprozesse kostet das Unternehmen oft weit mehr, als es im ersten Moment nutzt. Da der finanzielle Schaden teilweise recht hoch sein kann, sollten die Richtlinien für die Beschaffung klar definiert und auch innerhalb der Belegschaft sauber kommuniziert werden. Moderne und digitale Warenwirtschaftssysteme bieten zudem die Möglichkeit, mitarbeitende Personen auch außerhalb der Einkaufsabteilung mit in die Beschaffung einzubeziehen. Durch die Vergabe von Berechtigungen und Budgets kann abteilungsintern und trotzdem entsprechend den gültigen Einkaufsregeln dringend benötigtes Material beschafft werden. Damit das alles reibungslos funktioniert, ist eine intensive Kommunikation erforderlich. Nur dann versteht jeder die Probleme des anderen und der beste Kompromiss kann gefunden werden.